Zur Geschichte des Basler Synagogenchors
Daniel Erlanger
Im Jahr 1998 feiert der Synagogenchor Basel sein 70jähriges
Bestehen: Erstmals Ende des letzten Jahrhunderts und wieder 1903
wird ein jüdischer Männerchor in Basel erwähnt, doch verlieren
sich dann die Spuren. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts
kam Oberkantor Max Epstein aus Frankfurt nach Basel, und seit dem
Jahre 1928 ist die Existenz eines Basler Synagogenchors
dokumentiert.
Ein Synagogenchor, der nun seit mehr als 70 Jahren
ununterbrochen funktioniert, ist in Europa aufgrund des Holocausts
leider wohl einmalig und kann als Gnade der Zeit betrachtet
werden.
Schon im Tempel wurde beim Opferdienst gesungen, und zwar auf den
Treppen vor dem Allerheiligsten, wie dies die Psalmen zeigen (Schir
haMa'aloth). Selbst Begleitung durch Trompeten (Chatzotzroth)
fehlte nicht. Nach der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung
ins Exil kam es im Laufe der Zeit zur Aufspaltung in ein
sephardisches und ein askenasisches Judentum. Bei den Sephardim
gibt es keinen eigentlichen Vorbeter, jeder nimmt selbst aktiv am
Gottesdienst teil. Bei den Askenasim entwickelte sich die
Tradition des Vorbeters, "Chasan" oder auch "Kantor".
In vielen Gemeinden wurde er von einem Chor unterstützt. Die Israelitische Gemeinde
Basel ist eine der wenigen weltweit, die über einen permanenten
Vorbeter, einen Chasan verfügt, sowie über einen Synagogenchor,
der jeden Schabbath singt.
Eng verbunden mit der Gründung und der langen Geschichte des
Basler Synagogenchors ist die Familie Epstein. Dies sowohl als
Vorbeter als auch als Komponisten. Oberkantor Max Epstein sang ab
1928 mit dem neugegründeten Chor, und sein Sohn Ludwig trat dem
Chor, für den er sich Zeit seines Lebens mit Leib und Seele
einsetzte, in jungen Jahren bei. Als Anerkennung für diesen
außerordentlichen Einsatz hatte Ludwig Epstein bis zu seinem Tod
im Jahr 1999 das Amt des Ehrenpräsidenten inne.
Die Chasanuth, der Chorgesang, der heute in der Basler Synagoge
gesungen wird, widerspiegelt die deutsch-aschkenasische Tradition
mit östlicher Prägung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die
Israelitische Gemeinde Basel (IGB) von elsässischen und deutschen
Juden gegründet wurde, jedoch hauptsächlich Chasanim mit östlicher
Tradition in Basel gewirkt haben. So hat sich über einen Zeitraum
von mehr als 75 Jahren die Mischung ergeben, die man heute in
ungebrochener Kontinuität im Basler Gottesdienst antrifft.
Der Basler Synagogenchor besteht heute aus 16 Laiensängern, die
wöchentlich proben und jeden Schabbath und an allen Feiertagen den
Gottesdienst singend mitgestalten. Die Fortschritte des Chors und
die Steigerung seiner musikalischen Qualität sind zu einem
erheblichen Teil Michel Uhlmann zu verdanken, der nun schon seit
über 15 Jahren als Dirigent und Stimmbildnerwirkt.
Tradition kann nur durch Fortschritt entstehen. Deshalb widmet
sich der Chor neben der Pflege der tradierten Melodien einer
kontinuierlichen Erweiterung des Repertoires durch Erarbeitung
neuerer Werke. Die Spannung zwischen Neuem und Altem, zwischen
östlichen und westlichen Einflüssen vermag den Gottesdienst in
ganz besonderer Weise zu bereichern.
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