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Alex Jacobowitz:
Ein klassischer Klezmer

Mit den sommerlichen Temperaturen beginnt nicht nur die Saison der Biergärten und Straßencafés sondern auch die der Straßenmusiker.

Wer kennt sie nicht, die allgegenwärtigen Akkordeon-, Panflöten-, Gitarren- oder Geigenklänge? Klassik, Pop und Folk in mehr oder weniger friedlicher Harmonie – jedenfalls solange Ordnungsbehörden und Geschäftsinhaber der umgebenden Fußgängerzonen keinen Einspruch erheben. Mitunter kommt das vor, und man kann es verstehen, denn einen ganzen Tag im halbstündigen Wechsel mit „Vier Jahreszeiten“ oder Variationen über „El Condor Pasa“ beschallt zu werden, dürfte selbst hartgesottene Klassik- und Folklore-Fans in den Wahnsinn treiben. Sogar unbeteiligte Passanten beschleunigen in solchen Fällen ihre Schritte.

Doch dann gibt es andererseits Klänge, die einen innehalten lassen. Man bleibt stehen, schaut sich um, will wissen, woher diese Töne kommen, nähert sich und staunt. Da steht ein Mann hinter einem gut drei Meter langen und etwa ein Meter zwanzig hohen Schlaginstrument, das einem irgendwie ähnlich bekannt vorkommt wie das Stück, das darauf gespielt wird. Ist das nicht die Mondscheinsonate? Beethoven? Kennt man das nicht irgendwie vom Klavier? Dabei erinnert das Instrument eher an ein Glockenspiel, wie es zur musikalischen Früherziehung in Kindergärten oder Grundschulen benutzt wird, nur dass dies hier erheblich größer ist und einen wärmeren volleren Klang hat.

Das Stück klingt leise aus, ein begeistertes Publikum applaudiert, und der Musiker verbeugt sich höflich, bevor er sich vorstellt: »Ich bin Alex und ich komme aus New York. Und das hier ist meine Frau, die Marimba!« Er deutet charmant lächelnd auf sein Instrument, und das Publikum reagiert amüsiert. In einer mehrsprachigen Moderation auf Deutsch, Englisch und Französisch fährt Alex fort. Während seines klassischen Schlagzeugstudiums in New York habe er sich in diese auch Xylophon genannte Marimba verliebt, oder besser in ihren Klang.

Es muß eine wirklich große Liebe gewesen sein, denn er begann sich auf das Instrument zu spezialisieren und entwickelte eine hochvirtuose Technik, die es ihm ermöglichte, Stücke, die eigentlich für Klavier und damit für zehn Finger geschrieben waren, mit nur vier Schlegeln auf seiner Marimba zu spielen - zum Beispiel die erwähnte Mondscheinsonate von Beethoven, oder Mozarts "Türkischen Marsch", Joh. Seb. Bachs Toccata und Fuge in d-moll aber auch romantische Gitarrenkompositionen von Isaac Albeniz und Francisco Tarrega. Dabei wirkt seine Interpretation so selbstverständlich und leicht, dass man glaubt, die Stücke seien eigens für sein Instrument geschrieben worden.

Kein Wunder, dass Alex‘ Engagement als klassischer Schlagzeuger in einem Symphonie Orchester nur von kurzer Dauer war. Stundenlang auf einen kurzen Einsatz an der Triangel zu warten, konnte einen Virtuosen wie ihn nicht befriedigen. Auch wollte er seine Marimba nicht einfach als Schlaginstrument begreifen, sondern als eine Stimme, die er durch sein Spiel zum Klingen bringt. Damit steht er in bester Tradition der klassischen Klezmorim, und das ist wohl kaum ein Zufall.

Alex, mit vollem Namen Alex Jacobowitz bekennt sich als religiöser Jude. Geboren 1960 in Binghamton im US-Staat New York, wanderte er 1989 mit seiner Familie nach Israel aus, wo er heute in einer der umstrittenen Siedlungen bei Hebron lebt - sofern er nicht auf Tournee ist, und das ist er fast immer. Seit Beginn der 90er Jahre bereist er mit seiner Marimba vorzugsweise Europa. Von Ungarn über Österreich die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien, Tschechien, Polen, Dänemark bis hinauf nach Schweden, Finnland und Estland haben ihn seine Reisen schon geführt, und im Laufe der Jahre eroberte er sich eine stetig wachsende Fangemeinde. Auch Presse, Rundfunk und Fernsehen sind auf ihn aufmerksam geworden. Während er seine ersten CDs noch im Selbstverlag herausgebracht hatte, ist seine jüngste Einspielung "The Art of Xylos" auf dem Arte Nova Label erschienen, wo sie allseits beste Kritiken erhielt. So ernannte gar der renommierte Musikkritiker Peter Cossé in der Neuen Musikzeitschrift "The Art of Xylos" zu seinem persönlichen Favoriten unter den Kammermusikaufnahmen des Jahres 2002.

Alex Jacobowitz fühlt sich wohl bei seinem deutschen Publikum, doch er ist sich zugleich der "Nicht-Normalität" seiner Auftritte in diesem Land wohl bewußt – auch wenn er sie in seinen Konzerten grundsätzlich nicht zum Thema macht. Auch über vereinzelte antisemitische oder antiisraelische Störfälle während seiner Konzerte spricht er fast nie. Dazu ist ihm die Musik viel zu wichtig. Auf höchst unterhaltsame Art und Weise erläutert er dem aufmerksam lauschenden Publikum die musikhistorischen Hintergründe der von ihm vorgetragenen Stücke. Dazwischen verkauft und signiert er seine CDs und sein ebenfalls selbstverlegtes Buch mit den Reisegeschichten eines jüdischen Musikers, eine mal heiter mal nachdenklich stimmende Sammlung seiner Erfahrungen als Musiker in den USA und Europa.

So bescheiden Jacobowitz auf seinen Reisen einerseits lebt, so ist er andererseits keiner der üblichen Straßenmusiker, die nur mit Rucksack durch Europa trampen. Daran hindert ihn nicht zuletzt der erhebliche Umfang seines Instruments, das er zeitweise im Wohnmobil aber auch in größeren Kombis transportiert. Via Handy und Internet ist er ständig in Kontakt mit Familie und Freunden und nicht zuletzt mit dem Wetterdienst, dessen Vorhersagen üblicherweise seinen Tourneeplan bestimmen.

Wenn Sie ihn also hören wollen, achten Sie auf den Wetterbericht und halten Sie in den Fußgängerzonen die Ohren auf...

...und in den nächsten Tagen können Sie Straßenmusik auch am Data-Highway hören. Schauen Sie rein, auf die Eingangsseite von hagalil.com.
 

  The Art of Xylos
Alex Jacobowitz

Manuel de Falla [1876 – 1946)

from "The Three-Cornered Hat"
[1] Dance of the Miller

Francisco Tárrega (1852 – 1909)

[2] Recuerdos de la Alhambra

Modest Mussorgsky (1839 – 1881)

from "Pictures at an Exhibition"
[3] Samuel Goldenberg & Shmuyle
[4] The Old Castle

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

[5] Chromatic Fantasy BWV 903

from Partita No. 2 BWV 1004
[6] Chaconne in d minor

François Couperin (1668 – 1733)

[7] Les Barricade Mistérieuses

Claude Debussy (1862 – 1918)

From Préludes (1st book)
[8] VIII (... La fille aux cheveux de lin)

Erik Satie (1866 – 1925)

[9] Gymnopédie No. 1

Paul Smadbeck (* 1956)

[10] Rhythm Song

Jewish Traditional
[11] Firn di Mechatonim Aheim

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)

from Sonata quasi una fantasia, op. 27 No. 2 Moonlight Sonata)
[12] I. Adagio sostenuto

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)

[13] Fantasia in d minor KV 397

Robert Schumann (1810 – 1856)

from Kinderszenen op. 15
[14] Träumerei
 

  Siehe auch http://www.xylophone.tv



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fsw / hagalil.com / 29-06-03


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